Dieser Beitrag wurde im Dezember 2023 von Google veröffentlicht. Hier den Originalbeitrag lesen.
Die Schweiz ist einer der bedeutendsten Forschungsstandorte von Google weltweit. Ein Gespräch mit der Forschungskoordinatorin des AI Center an der ETH Zürich, Jennifer Wadsworth, und Behshad Behzadi, Vice President Engineering bei Google Cloud in Zürich, darüber, wie exzellente universitäre Forschung und unternehmerische Innovationskraft in Zeiten der KI zusammenwirken.
Sie beide arbeiten seit Jahren zum Thema künstliche Intelligenz (KI). Waren Sie auf den Hype, den KI-Sprachbots ausgelöst haben, vorbereitet?
Wadsworth: Nein, und ich denke, die meisten anderen Forschenden waren es auch nicht. Seither herrscht eine unglaubliche Dynamik. Viele Wissenschaftler*innen, von denen manche seit Jahrzehnten an KI forschen, sind überrascht, wie das Thema innerhalb kürzester Zeit von einem Spezialgebiet zum Gegenstand einer intensiven öffentlichen Diskussion wurde, bei der es auch um die Sorge über die zukünftigen Auswirkungen geht. Jetzt ist es Zeit, darüber zu diskutieren, wie wir bei KI weiter so vorgehen, dass die Gesellschaft bestmöglich davon profitiert.
Behzadi: Google forscht und arbeitet bereits seit vielen Jahren an und mit KI. Deshalb wussten wir, was möglich ist. Aber es hat auch uns überrascht, wie schnell das Interesse gestiegen ist. Unser Google Cloud Team in der Schweiz erhält jetzt jeden Tag Anfragen von Unternehmen, die über KI-Anwendungsmöglichkeiten reden möchten. KI ist ein weiterer technologischer Schritt, um beispielsweise Produktivität zu erhöhen.
Wie stellt Google sicher, dass künstliche Intelligenz auf verantwortungsvolle Weise angewandt und weiterentwickelt wird?
Behzadi: Wir arbeiten eng mit Expert*innen aus Behörden, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zusammen, um ambitionierte KI-Projekte verantwortungsvoll umzusetzen. Im ständigen Austausch wollen wir sicherstellen, dass unsere Anwendungen mit künstlicher Intelligenz von gesellschaftlichem Nutzen sind. Dabei sind wir uns der Risiken von KI bewusst. KI-Algorithmen dürfen beispielsweise keinesfalls Fehlinformationen verbreiten oder die digitale Privatsphäre verletzen. Wie auch unser globaler CEO Sundar Pichai sagt, ist KI zu wichtig, um sie nicht zu regulieren, aber auch zu wichtig, um sie nicht richtig zu regulieren.
Laut einer Pressemitteilung des Europäischen Patentamts vom März 2023 belegt die Schweiz 2022 weltweit den siebten Platz bei Patentanmeldungen, umgerechnet auf die Einwohnerzahl sogar den ersten Platz. Und die Schweiz ist seit elf Jahren in Folge führend beim Global Innovation Index. Was macht das Land richtig?
Wadsworth: Die Schweiz hat schon immer grossen Wert auf Bildung gelegt, und Menschen aus aller Welt schicken seit jeher ihre Kinder auf unsere Schulen. Die ETH gehört traditionell zu den besten Universitäten der Welt, insbesondere im Bereich Computerwissenschaften. Um mit der Forschung und den Talenten zusammenzuarbeiten, siedeln sich seit Jahrzehnten führende Tech-Unternehmen im Grossraum Zürich an. Die Schweiz stellt ausserdem die optimalen Rahmenbedingungen zur Verfügung, indem sie einen Bottom-up-Ansatz, also einen Prozess von unten nach oben, verfolgt: Gemeinsame Projekte von Unternehmen und Academia sind in der Regel marktgetrieben und nicht von staatlicher Seite initiiert. Das führt zu Innovationen, die auf dem Markt gebraucht werden.
Behzadi: Tatsächlich ist die ETH mit einer der wichtigsten Gründe, warum Google den Forschungsstandort Schweiz vor rund 20 Jahren gewählt hat. Wir pflegen einen engen Austausch, vor allem mit der Fakultät für Computerwissenschaften. Viele meiner Kolleg*innen haben an der ETH Zürich studiert, und manche wechseln umgekehrt von Google an die ETH Zürich, um dort weiter zu forschen und zu unterrichten. In der Schweiz gibt es viele KI-Spitzenkräfte, und die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschung wird hier traditionell besonders kultiviert. Beispielsweise hat sich die Forschung von IBM bereits 1956 in Rüschlikon niedergelassen.
Wie arbeiten Google und das AI Center der ETH zusammen?
Wie arbeiten Google und das AI Center der ETH zusammen?
Wadsworth: Das AI Center bringt die besten Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen, um an den grossen Herausforderungen wie Klimawandel, Weltgesundheit und demografischem Wandel zu arbeiten. Google beteiligt sich an der Finanzierung von Stipendien für Studierende, und wir planen diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Das Besondere an unserem Programm ist, dass die Stipendiat*innen jeweils von zwei Professor*innen unterschiedlicher Fachrichtungen sowie von Fachleuten aus Unternehmen betreut werden, um einen umfassenden Ansatz zu gewährleisten.
Generative KI gewinnt für Unternehmen rasant an Bedeutung. Wie unterstützt Google Cloud Firmen bei der Anwendung von KI?
Behzadi: Unternehmen verstehen, dass die Einstiegshürden, KI zu nutzen, wesentlich niedriger sind als noch vor einem Jahr. KI-gestützte Chatbots wie Googles KI-Experiment Bard werden anhand einer Vielzahl öffentlich zugänglicher Daten aus dem Internet trainiert. Das Gleiche können Unternehmen mit ihren eigenen Informationen machen und so innerhalb von kurzer Zeit einen unternehmenseigenen Chatbot erstellen. Zurzeit arbeiten wir an einer Art „Unternehmensgehirn“, das alle Fragen der Mitarbeiter*innen schnell und effizient beantworten kann. Ein solches Modell wird in der KI-Infrastruktur von Google Cloud für jede Firma individuell aufgebaut. Aber Unternehmen können von KI auch profitieren, indem sie interne Verwaltungs- oder Bestellprozesse effizienter gestalten, beispielsweise mit automatisierten Abrechnungen oder Bedarfsprognosen oder die Kundenbindung und -ansprache mit Chatbots verbessern.
Wie setzen Schweizer Unternehmen bislang KI-Modelle auf der Basis von Google Cloud ein?
Behzadi: Der Detailhändler Coop kann mithilfe von KI-Prognosemodellen in der Google Cloud seinen Bedarf an Lebensmitteln um 43 Prozent akkurater planen. Wenn man bedenkt, dass Coop nach eigenen Angaben täglich 1’000 Tonnen Obst und Gemüse verkauft, macht das einen gewaltigen Unterschied, nicht nur finanziell, sondern auch bei der Vermeidung von Foodwaste. Auch in der Luftfahrt, der Reisebranche und im Finanzsektor gibt es viele Beispiele, ebenso wie in der öffentlichen Verwaltung. Die Swiss optimiert den Flugbetrieb mit einer KI-gestützten Datenplattform in Google Cloud und reduziert damit unter anderem den Treibstoffverbrauch. Binnen dreieinhalb Monaten konnten auf diese Weise mehr als eine Million Schweizer Franken eingespart werden. Die Eingabe über einfache Sprachbefehle, das sogenannte Conversational Interface, hat ebenso wie die einfache Erzeugung von Content für Internetauftritte oder Werbekampagnen grosse Bedeutung über alle Industrien hinweg.
Werden wir uns in ein paar Jahren fragen, warum früher Dinge wie Anfragen an Verwaltungen oder die Suche nach unternehmensinternen Informationen so mühsam waren?
Wadsworth: Bei vielen anderen Vorgängen ist das bereits jetzt der Fall. KI hilft uns überall im Alltag. Ich wüsste nicht, was ich ohne Google Maps machen würde. Eine Karte aus Papier zu Rate ziehen? Unvorstellbar.
Behzadi: Teams aus Zürich waren übrigens wesentlich an der Entwicklung von Google Maps beteiligt. In einigen Städten bietet die App jetzt immersive Ansichten mit starkem Live-Erlebnischarakter, die von der KI auf der Basis von Milliarden von Street-View- und Luftaufnahmen erstellt werden. KI-gestützt sind auch neue Funktionen bei Google Assistant mit automatischen Antwortvorschlägen, Google Lens für Informationen über Bildinhalte oder Google Foto, bei der KI beispielsweise die Umgebung von Fotos ergänzen kann. Wenn wir einige Jahre zurückgehen, sehen wir: Was uns damals neu und ungewohnt erschien, ist heute Teil unseres Alltags. Es ist ganz normal, dass wir mit Apps das Wetter checken, uns zu unseren Zielen navigieren lassen und vieles mehr. KI ist eine von etlichen Technologien, die in all diesen Tools stecken. Wichtig ist: Welche Funktionen man nutzen will, bleibt einem selbst überlassen.
Wadsworth: Der Clou einer erfolgreichen KI-Anwendung ist häufig, dass die Menschen gar nicht merken, dass sie KI nutzen. Es geht aber nicht nur um Alltagshilfen und effizientere Prozesse, sondern KI trägt tatsächlich bereits jetzt dazu bei, Menschenleben zu retten. Etwa beim Brustkrebs-Screening können Radiolog*innen mithilfe von KI viel früher Anomalien entdecken als noch vor kurzer Zeit. Je eher die Behandlung beginnt, desto erfolgreicher kann sie sein.
Behzadi: Oder nehmen Sie das Google DeepMind KI-Projekt AlphaFold, das die Struktur und Funktion jedes der rund 200 Millionen Proteine in Minuten vorhersagen kann. Das entspricht etwa 400 Millionen Jahren an Forschung. Diese Erkenntnisse können beispielsweise in der Diagnose von Krankheiten oder Entwicklung neuer Medikamente genutzt werden. Deswegen wollen wir gemeinsam mit Forschungspartnern wie der ETH weiterdenken, wie KI in der Wissenschaft von Nutzen sein kann.
Die ETH Zürich ist offizielle Partnerin der Greater Zurich Area AG. Alle öffentlichen und privaten Partner entdecken.
Fotos: Marvin Zilm