Elektrisch fliegen, das bedeutet leise und sanft durch die Lüfte zu schweben. „Die Elektrifizierung wird in naher Zukunft gerade der Kleinluftfahrt Schub verleihen“, sagt Rolf Stuber, Pilot bei Swiss International Air Lines in Zürich und CEO des Start-ups smartflyer in Grenchen. Sein Team und er entwickeln einen hybriden Viersitzer mit einem neuartigen Antriebsstrang. Hiermit und auch mit der Veranstaltung smartflyer-challenge etabliert sich Grenchen als ein Zentrum der E-Fliegerei. Zur Challenge kommen bereits zum dritten Mal Experten aus ganz Europa. Dabei ist der Ort in der Aviatik-Szene bekannt: Hier etablierte der Flugpionier Willi Farner im letzten Jahrhundert ein bedeutendes Flugzeugwerk; heute existiert rund um den Flughafen Grenchenein reges Ökosystem der Privatfliegerei.
Premieren in der Luft
Die Elektro-Luftfahrt ist gut für Premieren: So werden bei der smartflyer-challenge Flieger prämiert, die einen möglichst weiten Anflug mit elektrischem oder Hybrid-Antrieb überwunden haben. Das gab’s noch nirgendwo. Voraussichtlich wird beim Event auch zum ersten Mal ein zertifiziertes Modell des E-Fliegers Pipistrel Alpha Electro Passagiere transportieren. Die Schweiz hat in diesem Kontext eine Vorreiterrolle. Besonders viele Schweizer Piloten absolvieren Flugstunden mit neuen Fliegern, die für deren Zertifizierung notwendig sind.
Ein Jungfernflug des smartflyer ist erst für 2021 geplant – noch wird der Hybrid-Antrieb getestet. Elektrokraft bringt den Flieger ruhig in die Lüfte, oben setzt ein Verbrennungsmotor ein. Das ermöglicht eine effizientere Positionierung der Propeller und schafft Raum für Innovation. Das Start-up wurde durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt Bazl unterstützt. Heute hat man auch Partner aus der Privatwirtschaft – etwa die zu Swatch gehörige Uhrenmarke Hamilton.
Präzisionsindustrie gleich um die Ecke
smartflyer hat in der Uhrenstadt Grenchen die perfekte Heimat gefunden. Die Region ist bekannt für ihr einmaliges Präzisionsindustrie-Cluster. Unter anderem der Uhrwerkhersteller ETA – ebenfalls Swatch – hat hier seinen Hauptsitz und grössten Produktionsstandort; viele KMU sind in diesem Bereich tätig. Stuber sagt: „Für die Entwicklung haben wir täglich mit der Präzisionsindustrie zu tun. Etwa das Unternehmen Leiko in Grenchen liefert Teile höchster Komplexität, die nur wenige auf der Welt herstellen können.“
Gleichzeitig profitiert das Start-up massgeblich von Forschungseinrichtungen und Hochschulen der Region. Studierende der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Fachhochschule Chur haben Arbeiten zur Batterie, zum Fahrwerk oder zur Marktlage beigesteuert. Mitgründer Philipp Glocker hat viele Jahre im Bereich Elektrotechnik geforscht.
Skalierung ist möglich
Die Bündelung dieses Know-hows bringt smartflyer einen Vorsprung – und macht das Flugzeug zu einer idealen Plattform für E-Motorhersteller wie Siemens respektive Rollce Royce. Auch mit diesen grossen Namen kooperieren die Gründer. Eine Besonderheit der Konstruktion ist nämlich: Während reine Elektro-Flieger häufig nur ein bis zwei Sitze haben, ebnet smartflyer der Weg der Elektromotoren in eine höhere Kategorie. „Wir haben vier Sitze, doch wenn es funktioniert, ist das System für Maschinen mit bis zu 19 Passagieren möglich“, sagt Stuber. Und damit bringt das Grenchner Start-up die E-Fliegerei einen enormen Schritt weiter.
smartflyer-challenge am 14. und 15. September:
Von Samstag, 14., bis Sonntag, 15. September, findet am Flughafen Grenchen die dritte smartflyer-challenge statt. Aus ganz Europa haben sich bereits über zehn Teams mit ihren Maschinen angemeldet. Zudem behandeln Experten im Rahmen eines Symposiums technologische und ökonomische Fragestellungen der Elektro-Luftfahrt. Erstmalig wird die smartflyer-challenge E-Trophy vergeben: Preisgelder erhalten dabei die drei Teams, die die weitesten Strecken nach Grenchen mit einem Elektro- oder Hybrid-Flugzeug überwunden haben. Der Einritt ist für Besucher frei.
Von Yvonne von Hunnius
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