Schweizer Finanzdienstleister erkennen den Trend der Künstlichen Intelligenz (KI) und wollen keine halbe Sachen machen. „Wir erhalten gerade in den letzten Monaten viele Anfragen von Finanz-Unternehmen, die mit uns in KI-Fragen kooperieren wollen“, sagt Jörg Osterrieder, Finanzprofessor von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Die Greater Zurich Area ist dafür prädestiniert – sie ist ein historisch gewachsenes Finanzzentrum und besitzt renommierte Hochschulen mit Fokus auf KI. An der School of Engineering der ZHAW werden somit schon seit Jahren erfolgreich Projekte in diesem Bereich betreut. Osterrieder betont: „Für Finanzdienstleister gibt es KI-Anwendungen in allen Geschäftsbereichen.“ Grundlage hierfür ist die Verfügbarkeit von Daten, deren Analyse mithilfe von KI weit mehr als Effizienzgewinne bedeuten kann.
Fintech-Trend wird von KI befeuert
Besonders gefragt ist KI bei Schweizer Finanzdienstleistern nicht nur im Big-Data- und Blockchain-Bereich. Insbesondere in der Vermögensverwaltung werden hierdurch clevere Handelsstrategien erstellt. Einige WealthTech-Start-ups aus dem Wirtschaftsraum gehören zu den innovativsten der Welt. Im letzten Jahr hatte das Zürcher Start-up Aaaccell mit seinem Entscheidungstool für Vermögensverwalter einen beeindruckenden Exit hingelegt und ist nun Teil der internationalen LPA-Gruppe. Die Family-Office-Software Altoo aus Zug weist ein rasantes Wachstum auf. KI vereinfacht aber auch neue Lösungen in der Kreditrefinanzierung: Etwa das Zuger Unternehmen i2invest geht neue Wege im Marketplace Lending und hat 2020 neue Investorengelder gewonnen. Sie alle haben an ihrer KI gemeinsam mit dem Team von Prof. Osterrieder gefeilt.
ZHAW koordiniert internationale Projekte
Osterrieder hat einen guten Überblick über die Szene. Seit bereits fast zwei Jahren leitet er auch ein europäisches Forschungsprogramm zum Thema Fintech & AI in Finance. Institute und Unternehmen aus 38 Ländern werden von Winterthur aus koordiniert, wozu auch die, nun zum sechsten Mal durchgeführte, international angesehene Konferenz zu AI in Industrie und Finance an der ZHAW gehört. Bei den Projekten geht es um eine ganze Reihe aktueller KI-Anwendungen – unter anderem darum, in der Finanzindustrie KI-Modelle transparent zu gestalten und sogenannte Blackboxes zu vermeiden. Die Experten erarbeiten dabei auch Vorschläge für neue Industrie-Richtlinien.
Bedingungen im Wirtschaftsraum sind exzellent
Dass die ZHAW School of Engineering hier an der Spitze steht, ist kein Zufall. „Die Bedingungen sind für AI-Finanz-Projekte an der ZHAW und im ganzen Wirtschaftsraum Zürich aussergewöhnlich gut“, so Osterrieder. Hier seien die Chancen sehr gross, spannende Projekte umzusetzen – mithilfe der Forschungsförderung und Unternehmen, die bewusst in KI investierten und forschungsnah arbeiten wollten. „Zudem sind wir im internationalen Vergleich in der optimalen Lage, richtig gute Talente zu rekrutieren“, so Osterrieder. Und damit meint er Experten aus den hiesigen Hochschulen oder etwa aus dem europäischen Raum. Dazu kommen erfahrene Berufsleute, die nach einer Karriere in einer Grossbank Veränderung wollen. Gerade im Wettbewerb mit den USA und China, wo die Tech-Giganten KI-Know-how bündeln, ist dies wichtig.
Den Standort macht laut Osterrieder aber auch die Ballung von Forschungskompetenz spannend. Es gibt ganz in der Nähe Partnerinstitute an der Universität Zürich oder der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich. Und die ZHAW selbst hat in diesem Jahr ein Centre for Artificial Intelligence (CAI) gegründet. Hier wird an den Grundlagen gearbeitet, deren Anwendungen im Finanzbereich enorm viel bewegen können.
Von Yvonne von Hunnius