Als Gian Sbetta den Google Hürlimann Campus erstmals als 17-jähriger Austauschschüler besuchte, hätte er sich kaum vorstellen können, Jahre später als Mitarbeiter zurückzukehren. Seitdem hat er miterlebt, wie sich die Region Zürich zu einem globalen Hotspot für KI, Robotik und Deeptech-Innovation entwickelt hat. Mit Erfahrung aus Startups, Venture-Netzwerken und der Corporate-Tech-Welt bietet Gian eine seltene Aussen-Innen-Perspektive auf die Entwicklung der Region.
In diesem Interview teilt er neun Einblicke dazu, was die Greater Zurich Area zu einem der attraktivsten Tech-Standorte Europas macht, von ihrer aussergewöhnlichen Talentbasis und der lebendigen Startup-Szene bis hin zu den Signalen, die zunehmend internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und den Faktoren, die ihre Rolle in der nächsten Dekade der KI- und Deeptech-Innovation prägen werden.
Gian Sbetta leitet AI GTM für Startups bei Google Cloud. Er ist Mitgründer von AI Builders Zurich und Autor des Newsletters The Week in Swiss Startups.
Dieses Interview wurde im Herbst 2025 durchgeführt.
Greater Zurich Area AG: Gian, du bist ursprünglich aus Italien und hast dir inzwischen eine Karriere in Zürich aufgebaut. Was hat dich ursprünglich hierhergebracht und was hat dich überzeugt zu bleiben?
Gian Sbetta: Ich stamme ursprünglich aus einem kleinen Dorf in den italienischen Dolomiten. Meine erste Erfahrung in der Schweiz machte ich 2007 während eines Austauschjahres an der Highschool. Ich lebte bei einer Schweizer Familie und studierte Informationstechnologie. Zufällig unternahm meine Klasse 2008 einen eintägigen Ausflug zum Google Hürlimann Campus. An diesen Tag erinnere ich mich noch sehr gut. Für mein 17-jähriges Ich war das absolut faszinierend und kaum zu glauben. Sechzehn Jahre später betrat ich genau diese Türen als Mitarbeiter.
2017 zog ich von Deutschland in die Schweiz, weil ich Teil eines florierenden Deeptech-Startup-Umfelds sein wollte. Zürich war dafür der ideale Standort, mit aussergewöhnlichem Talent und verfügbarem Kapital. Zudem wird die Schweiz seit Jahren als das innovativste Land der Welt eingestuft.
Rückblickend war es definitiv die richtige Intuition, meine Startup-Karriere auf die Schweiz zu setzen.
Zürich schafft oft eine Balance zwischen Schweizer Präzision und internationalem Unternehmergeist. Spiegelt sich das konkret in Innovation und im Geschäftsalltag wider?
In den vergangenen acht Jahren hat sich die globale Wahrnehmung der Zürich-Region stark verändert. Während die Stadt früher vor allem als Finanzplatz bekannt war, hat sie sich erfolgreich zu einem bedeutenden Technologiezentrum entwickelt. Diese Entwicklung zeigt sich sowohl in der starken Präsenz globaler Tech-Unternehmen wie Google als auch in der wachsenden Zahl erfolgreicher Startups, die gemeinsam auf eine vielversprechende Zukunft der Region hindeuten.
Laut einer aktuellen Studie haben ehemalige Google-Mitarbeitende in der Schweiz mehr als 100 Startups und Unternehmen gegründet, Hunderte Millionen an Kapital aufgenommen und zuletzt drei Exits realisiert, darunter Lakera AI, Invariant Labs und Airconsole. Weitere Alumni haben führende Venture-Capital-Fonds wie Ellipsis Ventures, Fly Ventures, Founderful und SICTIC aufgebaut.
Oft wird über das besondere Gleichgewicht zwischen beruflichem Anspruch und Lebensqualität in der Schweiz gesprochen. Wie zeigt sich das für dich persönlich?
Seit ich 2017 in der Schweiz arbeite, haben mich die aussergewöhnlich hohe Lebensqualität und das ausgeprägte professionelle Umfeld nachhaltig beeindruckt.
Ich schätze die täglichen Begegnungen, die von Respekt und Verlässlichkeit geprägt sind, sei es mit Kolleginnen und Kollegen, Gründerinnen und Gründern, Operatoren oder Investoren. Besonders beeindruckt mich der Anspruch, langfristige und wirkungsvolle Technologien in Bereichen wie Life Sciences, Engineering und Robotik zu entwickeln. Im Fokus steht hier nicht die nächste App oder ein kurzfristiges Konsumprodukt, sondern die grundlegende Frage, wie wir in Zukunft leben und arbeiten werden.
Google ist seit vielen Jahren stark in der Region Zürich präsent. Was macht aus deiner Sicht die Greater Zurich Area für viele globale Tech-Unternehmen so attraktiv?
Die Greater Zurich Area ist aus mehreren Gründen ein ausserordentlich attraktiver Standort, allen voran der Zugang zu erstklassigem Talent. Google selbst feierte 2024 sein 20-jähriges Bestehen in der Schweiz, was die langfristige Attraktivität der Region unterstreicht.
Ich bin überzeugt, dass die Fähigkeit der ETH Zürich und der Universität Zürich, weltweit führende Talente anzuziehen, einzigartig ist. In meiner Rolle besuche ich regelmässig Universitätslabore, Startup-Büros sowie das ETH AI Center, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Es ist faszinierend zu beobachten, wie aus exzellenter Forschung erfolgreiche kommerzielle Anwendungen entstehen. Der unternehmerische Geist in der Region ist ausgesprochen lebendig.
Die Region Zürich wird zunehmend als europäisches Epizentrum für KI- und Deeptech-Innovation wahrgenommen. Wie lässt sie sich mit anderen globalen Tech-Hubs wie dem Silicon Valley oder London vergleichen?
Ich glaube nicht, dass man Zürich direkt mit London oder dem Silicon Valley vergleichen kann. Geschichte, Grösse und Kultur unterscheiden sich deutlich von dem, was man in Zürich findet. Gleichzeitig gewinnt diese Stadt mit rund 450’000 Einwohnerinnen und Einwohnern dank einer hohen Talentdichte in strategischen Bereichen wie KI, Robotik und Life Sciences zunehmend globale Aufmerksamkeit.
Eine zentrale Herausforderung für Zürich und die Schweiz insgesamt ist der Mangel an inländischem Wachstumskapital, der die Skalierung lokaler Unternehmen erschwert. Obwohl dieses Thema bekannt ist und von VCs, Partnern und weiteren Akteuren aktiv angegangen wird, lassen sich Schweizer Startups mit globalen Ambitionen davon nicht aufhalten.
Das lokale Ökosystem zieht zunehmend das Interesse internationaler Venture-Capital-Geber auf sich. Über meinen wöchentlichen Newsletter «The Week in Swiss Startups» erhalte ich regelmässig Anfragen von Investoren aus Europa, den USA und sogar aus Japan, die sich für Schweizer Opportunitäten interessieren.
Wenn dich eine Tech-Kollegin aus dem Ausland nach ein paar «Hidden Gems» fragen würde, also nach Aspekten der Tech-Szene oder des Lebens in der Greater Zurich Area, die nicht sofort sichtbar sind, was würdest du nennen?
Gute Frage. Eigentlich sollte man Hidden Gems nicht verraten. Aber wenn ich zwei nennen müsste, dann diese:
- Tech: AI Builders Zurich, eine neu aufgebaute und bewusst kuratierte Community für AI Builders in Zürich, die ich gemeinsam mit Edouard Treccani von Founderful ins Leben gerufen habe.
- Lifestyle: Das kleine Dorf Quinten am Walensee im Kanton Glarus.
Wenn du die Innovations-DNA der Greater Zurich Area in einem Wort oder einer kurzen Phrase beschreiben müsstest, also den besonderen «X-Faktor», der die Region global auszeichnet, welcher wäre das?
Die Dichte globaler Tech-Talente auf wenigen Quadratkilometern.
Als jemand, der tief im Tech-Ökosystem der Greater Zurich Area verankert ist, was wird ausserhalb der Schweiz deiner Meinung nach oft missverstanden, und was sollten mehr Menschen wissen?
Das allgemeine Bild der Schweiz als führender Tech-Standort hat sich in den letzten zwei Jahren deutlich verändert. Gleichzeitig war mein Eindruck aus der italienischen und deutschen Startup-Szene vor meinem Umzug nach Zürich, dass bei grossen Chancen weiterhin vor allem London, Berlin oder Paris empfohlen wurden.
Ich glaube, das liegt daran, dass Venture Capital und die Startup-Welt stark von Storytelling und Marktsignalen leben. Obwohl die Schweiz schon immer über hervorragende Technologie und exzellentes Talent verfügte, haben wir diese Stärken lange nicht ausreichend oder nicht klar genug nach aussen kommuniziert.
Heute berichten viele internationale Medien über Finanzierungsrunden in der Schweiz, und lokale VCs leisten hervorragende Arbeit, um globale Aufmerksamkeit und Folgefinanzierungen in die Region zu bringen.
Du hast miterlebt, wie sich das lokale Ökosystem über die Jahre entwickelt hat. Wenn du zehn Jahre nach vorne blickst, welche Rolle wird die Greater Zurich Area deiner Meinung nach in der globalen KI- und Tech-Landschaft spielen? Und was könnte ihre Position als führender Hub für die nächste Generation von Deeptech-Innovation weiter stärken?
Das Ökosystem verändert sich ständig, und vieles hängt auch von den globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. In zehn Jahren sehe ich die Schweiz in einer stärkeren globalen Rolle in den Bereichen KI, Robotik und Life Sciences. Wenn ich jedoch drei Wünsche hätte, um das lokale Ökosystem weiter zu stärken, wären es folgende:
- Schweizer Startups mit globalen Ambitionen und klarer IPO-Perspektive
- Mehr Investments von weltweit führenden Venture-Capital-Gesellschaften wie Sequoia, Index, Accel, Khosla, a16z und anderen in Schweizer Unternehmen
- Die Fähigkeit, mehr serielle Gründerinnen und Gründer sowie erfolgreiche Operatoren mit globaler Erfahrung, insbesondere aus den USA und Grossbritannien, anzuziehen
Talent-Magnet Greater Zurich
Talent-Magnet Greater Zurich
Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen und spielt daher eine wichtige Rolle bei der Standortwahl.
Die Schweiz und insbesondere die Greater Zurich Area ist gemäss dem INSEAD Global Talent Competitiveness Index und dem IMD World Talent Ranking der weltweit attraktivste Standort, um Arbeitskräfte anzuziehen, zu halten und zu entwickeln.
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