2023 gilt für Künstliche Intelligenz (KI) dank ChatGPT als das Jahr des Durchbruchs. Dabei ist dies nur der momentane Höhepunkt einer Entwicklung, die Unternehmen und Institutionen im Wirtschaftsraum Zürich schon seit Jahrzehnten begleiten. «Wir können inzwischen von der Region zurecht als KI-Valley sprechen», sagt Riccarda Mecklenburg, Unternehmerin und Präsidentin des Verbands Frauenunternehmen VFU. Befördert wurde dies durch privates und öffentliches Engagement. Etwa vor zwei Jahren haben die Kantone Zürich und Schwyz die KI-Initiative AiCon lanciert, um den KI-Standort sichtbarer zu machen. Partner ist neben Unternehmen auch die Greater Zurich Area (GZA). In diesem Rahmen findet auch die führende Schweizer KI-Konferenz statt, das AiCon AI-Strategieforum. 2023 kamen auf Einladung der beiden Kantone und des Business-Netzwerks C-Level 300 Führungskräfte aus allen Branchen zur ausgebuchten Konferenz in Pfäffikon, Kanton Schwyz.
Wirtschaftsraum ist heute ein globales KI-Hub
Basis für die KI-Bewegung ist die Forschung am Standort, zum Beispiel an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) oder am Dalle-Molle-Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz in Lugano. In diesem Rahmen entstehen Unternehmenskooperationen und innovative Spin-offs; es werden heiss begehrte Fachkräfte ausgebildet. «Inzwischen hat sich rund um die exzellente Forschung ein veritabler KI-Hub entwickelt – natürlich mit Start-ups, aber eben auch mit internationalen Tech-Firmen wie Google, Meta, Microsoft oder IBM und über alle Branchen hinweg mit etablierten Unternehmen, die KI vorantreiben und integrieren», sagt Raphael von Thiessen, Project Lead New Technologies des Kanton Zürich.
Auf dem AI-Strategieforum präsentierte von Thiessen die Innovation-Sandbox für Künstliche Intelligenz des Kantons Zürich. In einer ersten Runde wurden fünf Projekte ausgewählt, die nun in regulatorischen Fragen begleitet und denen auch Daten bereitgestellt werden. Raphael von Thiessen: «Wir schaffen damit eine Testumgebung für KI, sammeln Erfahrungen und stellen diese der Gemeinschaft zur Verfügung.» Die Ergebnisse sollen auch im Hinblick auf eine künftige Regulation zukunftsweisend sein. Bei den Projekten geht es um smarte Parklösungen durch Bilderkennung, drohnenbasierte Infrastrukturwartung oder auch autonomes Fahren.
KI revolutioniert alle Branchen
In den letzten Jahren haben sich im Wirtschaftsraum ganz unterschiedliche KI-Schwerpunkte herausgebildet. Etwa das ETH-Spin-off Deepjudge will die Arbeit im Rechtsbereich revolutionieren: Seine KI-unterstützte Software zieht relevante Informationen aus tausenden von Dokumenten und übernimmt zeitaufwändige Arbeiten als virtueller Assistent.
Zudem ist Sicherheit als übergreifendes Thema stark im KI-Ökosystem der GZA vertreten. Ein Beispiel dafür ist LatticeFlow aus Zürich, das 2023 zum zweiten Mal in Folge Teil der AI 100-Liste der weltweit meistversprechenden KI-Start-ups von CB Insights ist. Die Plattform erlaubt die Entwicklung robuster und vertrauenswürdiger KI-Lösungen. International für Aufsehen sorgte auch erst kürzlich das Zürcher Start-up Lakera AI, das Sicherheitsprüfungen für KI-Programme anbietet. Lakera hat mit Gandalf AI ein Online-Spiel lanciert, um Sicherheitslücken in sogenannten Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT aufzudecken. Die Spielenden haben zum Ziel, einem KI-Chatbot ein geheimes Passwort zu entlocken und helfen Lakera damit, Schwachstellen zu beheben.
Als Treiber für KI-Anwendungen hat sich am Standort bereits seit Jahren gerade auch die Finanzbranche herausgestellt. Hier werde KI die Arbeit grundlegend ändern, betonte an der AiCon Marion Leslie, die Leiterin Finanzinformationen der SIX Group. Als führende Schweizer Dienstleisterin für Finanzinfrastrukturen nutzt SIX KI-Lösungen beispielsweise im Support. «Gerade auch im Compliance-Bereich steckt für uns grosses Potenzial», sagte Leslie.
KI-Bewegung zieht Unternehmen an
Etablierte Unternehmen wie SIX sind dabei ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Ökosystems. Und in diesen hat KI heute Priorität, so das Ergebnis der Top Executive-Studie, die am Strategieforum veröffentlicht wurde. Hierfür hatte C-Level Antworten von Führungspersonen aus über 210 Unternehmen ausgewertet. Vertreten waren unter anderem die NZZ Group, Sprüngli, Sunrise oder ABB. Dabei gaben 85 Prozent an, dass KI für sie das wichtigste Digitalisierungsthema sei. 70 Prozent messen KI hohes oder sehr hohes Potenzial bei. «Die Tragweite von KI wird von Führungskräften erkannt», schlussfolgerte Selcuk Boydak, der die Studie am Strategieforum vorstellte. Er selbst ist Investor und Mitgründer unter anderem der AI Business School oder der Talent-Community Global AI Hub, beide mit Sitz im Kanton Schwyz in der GZA.
Diese Atmosphäre zieht internationale KI-Unternehmen in den Wirtschaftsraum. Ein aktuelles Beispiel ist Qualitest, ein globaler Dienstleister für Engineering-Lösungen auf KI-Basis, der einen Standort in Zug eröffnen und Jobs schaffen will. Qualitest fokussiert sich unter anderem auf den Finanzsektor, aber auch auf das Gesundheitswesen oder Tech-Unternehmen. In einem Statement betonte Managing Director Shai Liberman: «Unsere Ingenieurs- und Testdienstleistungen werden die wachsende Nachfrage von Entwicklern und Unternehmen bedienen, die sich in der Schweiz ansiedeln. Wir freuen uns sehr darauf, diese wachsende Gemeinschaft zu erschliessen.»
Künstliche Intelligenz in Greater Zurich
Künstliche Intelligenz in Greater Zurich
Die Schweiz und der Wirtschaftsraum Zürich haben in renommierten Rankings im globalen Vergleich Spitzenplätze in Bezug auf Innovationskraft sowie Verfügbarkeit von hochqualifizierten Talenten belegt. Die verschiedenen Forschungsinstitute in Greater Zurich, wie die ETH Zürich mit seinem AI Center sowie das Schweizer KI-Institut IDSIA, zählen zu den führenden technischen Instituten der Welt und ziehen die besten Talente und Unternehmen wie Google, IBM, Microsoft, Facebook, Oracle und viele andere an.