Die Holzpreise sind während der Corona-Pandemie in die Höhe geschnellt: Holz wird knapp, Bauprojekte verzögern sich. In Dübendorf bei Zürich wird hingegen eine innovative Büroeinheit mit dem bezeichnenden Namen Sprint schneller fertig als erwartet. Hier kommt hauptsächlich wiederverwendetes Material zum Einsatz. So erhält zum Beispiel qualitativ hochwertiges Parkett aus einem Abbruchhaus ein zweites Leben. Gleichzeitig geht es auch um neue Lösungen: Etwa hat das baubüro in situ aus Zürich und Basel für die Einzelbüros neue Trennwände aus alten Teppichfliesen konzipiert, deren Schallschutzqualitäten von Forschenden untersucht und optimiert werden.
Sprint entsteht in einer Etage des Forschungs- und Innovationsgebäudes NEST der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und des Wasserforschungsinstituts des ETH-Bereichs (Eawag). Nach nur sieben Monaten soll die Büroeinheit im Juni bezugsfertig sein. NEST-Innovationsmanager Enrico Marchesi sagt: „Das Projekt zeigt, dass schnelles, flexibles und anspruchsvolles Bauen mit wiederverwendeten Elementen bestens funktioniert – und das unter Marktbedingungen.“
Kreislauffähiges Bauen ist die Zukunft
Umwelt- und Klimafragen machen kreislauffähiges Bauen zum wichtigen Thema, aber ein Treiber ist auch das ökonomische Bestreben nach Materialeffizienz. Entsprechend viele Anfragen von Bau-Unternehmen und Kommunen erreichen dazu die Empa, betont Marchesi. Die Materialprüfungs- und Forschungsanstalt hat sich in der Schweiz als eines der wichtigsten Innovationszentren für dieses Thema etabliert – nicht zuletzt, nachdem 2018 mit der NEST-Einheit UMAR neue Massstäbe gesetzt wurden. UMAR steht für „Urban Mining & Recycling“: So gut wie alle hier verbauten Materialien können wiederverwertet werden. Auf diesen Erfahrungen baut das Sprint-Projekt auf, geht sogar noch einen Schritt weiter und trägt den Ansatz in die Bauwirtschaft – mit Partnern wie dem Gebäudetechnik-Konzern Bouygues E&S InTec Schweiz.
Bauwirtschaft braucht nachhaltigere Prozesse
Mit Projekten wie diesem wächst das Verständnis für ein nachhaltigeres Planungsdenken. Denn es gilt, einen reichen Schatz an Materialien bei jährlich rund 4'000 Abbruchprojekten in der Schweiz zu heben. In den letzten Jahren sind diverse Plattformen wie etwa Salza und ReWinner – beide aus Zürich – entstanden, auf denen Bauelemente wie Fenster oder auch aus Bürogebäuden gerettetes Mobiliar feilgeboten werden. Bei der grossen Anzahl an qualitativ hochwertigen Bauten in der Schweiz werden die sogenannten Bauteiljäger oft reich belohnt. Doch die Suche braucht Zeit und Erfahrung. „Zudem muss im Prozess des Bauens der Rückbau mitgedacht werden. Bei Sprint wird etwa konsequent geschraubt statt genagelt, was eine sortenreine Trennung ermöglicht,“ betont Oliver Seidel, Architekt beim baubüro in situ, das Sprint verantwortet.
Ökosystem vereinfacht Materialflüsse
Die Empa gehört zu einem ganzen Ökosystem, das kreislauffähiges Bauen in der Wirtschaftsregion Zürich nach vorne bringt. Dazu zählt selbst die Stadt Zürich, die die Entwicklung digitaler Lösungen unterstützt, um beispielsweise Bauteile einfacher aufnehmen zu können. Von Zürich aus startet auch gerade die internationale Plattform für Materialien Madaster in der Schweiz durch. Sie bietet digitale Werkzeuge wie Materialpässe und Indizes über den wirtschaftlichen und zirkulären Wert von Gebäuden an. Im Februar hat sie nach der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH erste Partner aus der Bauwirtschaft gefunden.
Nicht zuletzt entwickeln zahlreiche Start-ups Lösungen für kreislauffähige Materialien. Das ETH-Spin-off Oxara hat zum Beispiel mit seinem zementfreien Beton aus lehmhaltigem Aushubmaterial international Aufmerksamkeit erreicht. Empa-Innovationsmanager Enrico Marchesi ist überzeugt: „Wenn wir an einem Strang ziehen, erreichen wir es, dass die bebaute Umwelt immer stärker als ein wertvolles Materiallager betrachtet wird.“
Von Yvonne von Hunnius
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